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Val Pergola – im Tal der Palazzi

5     Wenn »Verdemotta« feiert

Nach der kurvigen Fahrt mit dem Postauto nach Portivio hinunter legte sich schon die Dunkelheit über die Dächer und grauen Mauern dieses kleinen Dorfes. Eine letzte Schlaufe noch über die alte Bogenbrücke und vor dem Hotel war Endstation. Schon von Weitem hörten sie Lärm, Gelächter und Gesang, der aus der abgewandten Gartenwirtschaft bis zu ihnen drang. Diese romantische Ecke, mit ein paar Tischen und wackeligen Stühlen von Wind und Wetter gezeichnet, erhielt auch im Herbst noch die letzten Sonnenstrahlen. Bevor das südliche Dämmerlicht alles in monochrome Farben verwandelt, die schon von manchen bekannten Malern aus diesem Tal auf der Leinwand festgehalten wurden. Und wenn das letzte Tageslicht an den hohen Zinnen, Zacken und Flanken erlosch, rauschte die kalte »Brüscha« von den Hängen hinunter und trieb die Leute hinter die dicken Mauern ihrer Häuser. Doch heute war es windstill, dafür jubelten, lärmten und brausten ein paar kauzige Leute an zwei, drei Tischen. Und wie der Wein in ihre Kehlen floss, sprudelte es auch schon wieder verbal aus ihnen heraus. Sandy und Rainer traten näher und wurden auch prompt von Roswitha, »der Kräuterhexe«, erkannt. Kommt setzt euch zu uns und feiert mit.

Es ist spät geworden in dieser Nacht und die Wirtin musste ein paar Mal lauthals rufen und in die Hände klatschen, bis sich die letzten »Nachtschwärmer« aus ihren Stühlen erhoben und ihre klammen Beine schüttelten. »Auf heisse Tage folgen eiskalte Nächte hier im Val Pergola.« Das hatte der Siegmund, ein pensionierter Küster aus dem Sauerland, in den letzten Minuten ein paar Mal gesungen und später nur noch gelallt, so stockbesoffen war er. Wie bringen wir den wieder hoch, meinte Castanietta, ebenfalls eine Zugewanderte, aus Eisenstadt. Sie stamme zwar aus dem Süden, habe aber ihre Wurzeln hier wie die alten Kastanienbäume im Quartin. »Den legen wir in den Gänsestall da hinten, dann hat er was zum Schnattern.« Alle lachten und schlussendlich sagte Salvine Alpjäger, die Werklehrerin hier im Dorf: »Der Gian Morini ist heute nicht im Tal, also fahr‘ ich euch mal hoch, dann kommt ihr noch vor dem Morgen in eure ›Schlüfà‹.«
Roswitha verabschiedete sich von Sandy und Rainer und meinte dann schelmisch zu ihnen: »So feiern wir in Verdemotta, fünf Jahre wohnen wir jetzt oben in den Monti, kommt uns mal besuchen.« Und dann war die kleine Kräuterhexe auch schon in die Nacht verschwunden.