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Sandy Knaller aus Schusslingen

1     Das Schützenhaus

Am Fusse des Schützberges liegt der Weiler Schusslingen (Schüssligä wie die Einheimischen sagen) und an der Patronengasse wohnt Sandy Knaller. Ein aufgestelltes »Schiessbuden-Weib« von echtem Schrot und Korn.

Momentan werden einige Bewohner am Hang des Schützberges umgesiedelt, da sie zu nahe an der Schusslinie des örtlichen Schützenhauses liegen. Und das wegen folgendem Vorfall: Vor Jahren schon hatten die 83 Einwohner dagegen protestiert, dass an dieser wunderschönen Hanglage so ein Knallhaus gebaut wird. Von anonymer Seite wurde den Initianten mehrmals angedroht, sie als Kanonenfutter zu verheizen. In der Scheune von Albrecht Waffeler stand verstaubt in einer Ecke noch so eine alte Kanone, vermutlich aus dem 30-jährigen Krieg. Der Vorschlag, sie zu restaurieren und in schussfertigen Zustand zu bringen, scheiterte aber an Heinrich Pistolezzi. Er besass neben Feuerwasser auch eine ansehnliche Waffensammlung und als geübter Schütze hing seine Wohnung voll von Kranzkästen, Auszeichnungen und Ehrenurkunden.

Sandy Knaller, eine alte Freundin und Schiessgefährtin von ihm, gehört nebst ein paar eingebürgerten Carabinieris zum standhaften Komitee »Proschuss«. Schlussendlich wurde trotz vieler Widerstände das Schützenhaus gebaut und mit einem Riesenknaller von etlichen Prosecco-Flaschen eingeweiht. Den Einwand, das sei Naturverschandelung, liessen sie nicht gelten. Zeuge doch der historische Flurname »Schützemätteli« davon, dass hier mal eine Waffenschmiede stand und schon früher geschossen wurde. Einige Bauern, die den Boden in diesem historischen Gebiet bewirtschafteten, behaupteten sogar, schon manche Patronen-Hülse im Salat gefunden zu haben. Daher aus selbigem Grunde dieser Neubau eben auch schützenswert sei! Die nicht militanten Schusslinger aber lachten ob solchem Blödsinn und schworen Rache, jedoch mit friedlichen Mitteln.

Hinten beim Waldrand, wo das Schützemätteli im Unterholz endete, bauten sie den Scheibenstand mit erst mal acht Zielscheiben und den dazugehörenden Bleifängern. So umweltbewusst war man auch im Schützenverein.

Dann nahm man die Statuten ins Visier: Sandy Knaller wurde mit einem gewissen Vorbehalt erste Präsidentin. Den Umgang mit ihrem Mundwerk und Schiesseisen pflegte sie öfters ein bisschen zu locker. Fritz von Flint meldete sich als Munitionswart und Kassier. Heinrich Pistolezzi stellte sich als Waffenchef und Schützenmeister zur Verfügung. Schliesslich wollte man auch Albrecht Waffeler als Fähndrich, doch er winkte altershalber ab. Seine Frau meinte, er komme eh schon öfters mit diversen Schnapsfahnen nach Hause.

So nahm die Sache ihren Lauf und das überregionale Eröffnungsschiessen stand kurz bevor. Doch die Gegenpartei, die Blindgänger, wie die Schützen sie nannten, wurde in der verbliebenen Zeit aktiv, und zwar vorerst auf friedliche Art. In unmittelbarer Nachbarschaft vom adeligen Fritz von Flint wohnte der Fotograf Harry Karabin, ein altgedienter Gefreiter und Beobachter bei den Übermittlungs-Truppen. Heute aber waffenlos und gesundheitlich noch gut im Schuss. Sein Fotogeschäft inklusive Labor wurde nur noch sporadisch mit Aufträgen beglückt und das digitale Zeitalter hatte ihn nicht mehr erreicht. Nichtsdestotrotz erhielt er vom neugegründeten Schützenverein die Anfrage, den Vorstand für den Bezirks-Anzeiger »Der Freischütz« abzulichten. Eva Amschuss, eine Freizeit-Journalistin, verfasste einen Bericht dazu.